Organspendegesetz lückenhaft, Der Standard, Wien Auflg. 90’000 Ex

Tagung über offene Fragen der Transplantationsmedizin 

Innsbruck - Knapp 800 Organe wurden 1999 in Österreich an Menschen verpflanzt, 194 Herzen, 66 Lungen, 130 Lebern und 382 Nieren. Trotz der gesetzlichen Regelung von 1982 bleiben Zweifel ethischer, medizinischer, aber auch rechtlicher Natur bestehen. Die jüngste Handtransplantation wirft neue Fragen auf. Einige davon kamen am Mittwoch an der Innsbrucker Uni zur Sprache, bei deiner Tagung zu Transplantationsmedizin und personaler Identität, die das Institut für Philosophie und der Arbeitskreis Wissenschaft und Verantwortlichkeit organisierten. 

Der Zivilrechtler Heinz Barta etwa sieht derzeit für die Entfernung von Händen und Beinen keine gesetzliche Grundlage im Krankenanstalten-Gesetz, denn eine “die Pietät verletzende Verunstaltung der Leiche” ist dort ausdrücklich verboten. Wenn, so Barta, ausser Organen auch andere Körperteile transplantiert werden sollen, dann braucht es dafür eine Grundlage auf Basis eines demokratisch legitimierten Verfahrens. “Gesetzeslücken” ortet  der Innsbrucker Herzchirurg Ludwig Müller. Praxis sei heute der “Multiorganspender”, nicht  die vom Gesetz vorgesehene maximale Entnahme von zwei Organen.  Zwar sei 1982 die “Stümperei von zuvor” beendet worden, aber seither habe der Gesetzgeber “geschlafen”. Müller wies auf Dilemmata hin: die Abgabe von Medikamenten an Organempfänger, Immunsuppressiva, die “jeder Gesunde als Gift ablehnen würde”, die dadurch “deutlich erhöhte” Anfälligkeit für Infektionen “bis zum tödlichen Ausgang”. Der Ehrgeiz von Ärzten, auch “Grenzen zu überschreiten”, führe vermehrt zu Selbstdarstellungen. Von Patienten werde, nicht zuletzt aufgrund der extrem hohen Kosten, die bei Transplantationen anfallen, “ein sehr hohes Mass an Kooperation” bis zu “bedingungslosem Gehorsam” gefordert (Müller). 

Anton Leist vom Ethikzentrum der Universität Zürich kam auf die österreichische “Widerspruchslösung” zu sprechen, die eine Entnahme von Organen bei Fehlen eines ausdrücklichen Widerspruchs erlaubt und “Organknappheit” beheben soll.  Vom Fehlen dieses Widerspruchs auf eine Zustimmung zu schliessen ist für Leist unhaltbar: Gleichgültigkeit, aber keine positive Willenskundgebung sei abzuleiten. (bs).

 

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