Presseschau No 15 / 3 – vom Leben in den Toten..“ (NZZ 20.5.98)

„Umweltfreundliche Erdbestattung“   (NZZ 20.12.04) „Erdbestattung oder verbrennen?“    (NZZ 01.12.04)  
„Wie infektiös sind Leichen?“ (NZZ 01.12.04)                             

von den Toten geht keine Seuchengefahr aus“ NZZ „Gefahr durch Leichen – ein falscher Mythos“ (BaZ 05)

Gestützt durch die Publikationen der WHO, Public Health

 

Basler Zeitung (BaZ) Freitag, 7. Januar 2005, Seite 2:

 

„Gefahr durch Leichen – ein falscher Mythos¨

Und im Lead: „Infektionskrankheiten könnten in den Flutregionen Asiens noch einmal so viele Todesopfer fordern wie die Tsunamis, warnt die WHO, Weltgesundheitsorganisation. Gefahr geht weniger von den Leichen aus als von Krankheitskeimen im Wasser“.

Was die BaZ berichtete (siehe auch hernach, am 7.1.2005 – ausgehend von den WHO-Berichten) beschrieb Ivo Willimann bereits in seiner Diplomarbeit (ETH Zürich, 1996) „Leichenzersetzung im Erdgrab“ u.a. Seite 55: „..Beeinträchtigung des Grundwassers… bei Untersuchungen aber keine Verschmutzung festgestellt werden: ‚Im Gegenteil hat sich sogar nicht selten gezeigt, dass das Grundwasser der Friedhöfe besser war als das von Flachbrunnen in der zugehörigen Ortslage. Das ist verständlich, wenn man berücksichtigt, dass mit den Leichen einer Ortschaft jährlich nur etwa 1/70 der Menge fäulnisfähiger Substanzen in den Boden gelangt, die von Lebenden an Abgängen… geliefert werden…“ (Leichen niesen nicht, husten nicht und scheissen nicht. Laut den markigen Worten von emerit. Prof. Hermann Mooser)     

BaZ wie das SFDRS1 berichteten um die Jahreswende nach der Tsunami-Katastrophe in Thailand, Sri Lanka, Indien und Indonesien: „Unmittelbar nach dem Seebeben räumten Ordnungskräfte in Südindien und weiteren Regionen die toten Körper möglichst rasch weg. Teilweise wurden Tausende von Leichen mit Verweis auf die Seuchengefahr anonym verscharrt, was den Hinterbliebenen die Möglichkeit nahm, sich von ihren Angehörigen zu verabschieden, die Trauer verarbeiten zu können.

Eine Unsitte..

Laut Experten der WHO Weltgesundheitsorganisation ist dies eine Unsitte, die für zusätzliches und unnötiges Leid sorge. Denn eine unmittelbare Infektionsgefahr gehe von Leichen nicht aus. Die Gefährdung durch tote Körper sei ein falscher Mythos. Gefährlicher für die Überlebenden ist verunreinigtes Trinkwasser, in dem sich Erreger befinden.

Andreas Widmer, Professor für Infektionskrankheiten und verantwortlich für die Spitalhygiene im Basler Universitätsspital, teilt die Einschätzung der WHO-Verantwortlichen. „Das Infektionsrisiko durch Leichen ist klein. Gefährlicher als die Leichen sind kranke Überlebende, die Keime verbreiten besonders wenn die Wasserversorgung geschädigt ist.“ An einer Leiche infizieren könne man sich nur, wenn diese Krankheitskeime in sich birgt und offene Wunden aufweist…

In der WHO in Genf sind u.a. folgende Grundlagen erhältlich, die solche Erkenntnis ebenfalls nachweisen: „Code of practice for Funeral workers: managing infections risk and body bagging (Public Dis Public Health 4.2001, Dec)“ oder: „Infectious disease risks from dead bodies following natural desasters“ (Oliver Morgan, Rev Panam Salud Publica, 15.(5) 2004, Panam J Public Health),   “Epidemics caused by dead bodies: a disaster myth that does not want to die” (Claude de Ville J Goyet, Rev Panam Salud Publica, 15 (5) 2004, Public Health). Diese Quellen dienten auch dem NZZ-Bericht vom 1. Dezember 2004, knapp 4 Wochen vor der Tsunami-Katastrophe.

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„Wie infektiös sind Leichen? – NZZ  No 281 vom 1.12.2004, Seite 61

Bei Naturkatastrophen geht von den Toten keine Seuchengefahr aus

Nach jeder Natur- und anderen Katastrophe mit vielen Toten wird reflexartig die möglichst rasche Entsorgung der Leichen gefordert. Denn es wird befürchtet, dass von den Kadavern gefährliche Seuchen ausgehen könnten. Laut Fachleuten handelt es sich dabei allerdings um einen Mythos, der das Leid der Überlebenden zusätzlich vergrössert.

Und so beginnt der gut informierte Journalist, gut 3 Wochen bevor die nächste, sehr grosse Katastrophe in Asien (Tsunami) stattfindet, mit folgenden Worten: „Im vergangenen Sommer forderte der tropische Wirbelsturm „Jeanne“, der Teile Haitis überschwemmte, über 2000 Menschenleben. Am 26. Dezember 2003 kamen bei einem Erdbeben in der Stadt Bam im Iran…. 26 271 Menschen ums Leben. Diese Liste lässt sich beliebig verlängern (und wurde 1 Monat später tatsächlich um weitere 150 000 Toten angereichert..). …. Bei solchen Katastrophen wird fast immer reflexartig nach der möglichst raschen Beseitigung der Leichen gerufen – so etwa auch nach dem Einsturz des World Trade Center am 11.9.2001. Mit dieser Massnahme sollen gefährliche Epidemien verhindert werden, die von den vielen herumliegenden Kadavern ausgehen könnten… Massenimpfungen werden gefordert…

Keine wissenschaftliche Grundlage

Diese weitverbreitete Angst, dass tote Körper ein ernsthaftes Gesundheitsrisiko für die Überlebenden darstellen, basiert nicht auf wissenschaftlichen Fakten, sondern sie entspringt einem nicht auszurottenden Mythos. Zu diesem Schluss kommt eine einzigartige Literaturübersicht zum Infektionsrisiko von Leichen nach Naturkatastrophen. Geschrieben hat sie Oliver Morgan von der London School of Hygiene and Tropical medicine, erschienen in der Mai-Ausgabe des „Pan American Journal of Public Health“ (eine monatlich herausgegebene Fach-Zeitschrift der PAHO (Pan American health Organization), einer regionalen Niederlassung der Weltgesundheitsorganisation (WHO).

Der Beitrag in der NZZ ist höchst empfehlenswert zu lesen. Morgan weist darauf in, dass die Todesopfer bei Katastrophen wie die Überlebenden meist nicht häufiger  an Infektionskrankheiten leiden – also nicht an einer akuten Erkrankung sterben. Zudem überleben die zum Teil hochinfektiösen Krankheitserreger im toten Körper meist nur kurze Zeit. Darum kann man auch formulieren: Die Epidemiegefahr ist grösser, wenn eine infizierte Person eine Katastrophe überlebt….

Beeinträchtigter Trauerprozess

Difuse Ängste, irrationales Handeln können in Krisensituationen rasch die Oberhand gewinnen. Falsche Informationen in den Medien schüren die Furch der Bevölkerung. Die überstürzte Beseitigung der Leichen ist nach Morgan nicht nur medizinisch unnötig, sie kann für die Überlebenden das Leid sogar noch vergrössern. Denn die rasche Entsorgung verhindert oft die Identifikation der zum Teil massiv versehrten Körper… Vermisste: Abschiednehmen?  Der natürliche Trauerprozess wird beeinträchtigt, psychische Gesundheit der Überlebenden kann leiden. Fehlende Totenscheine können juristische und versicherungstechnische Folgen haben, finanzielle Schwierigkeiten erzeugen. Abgesehen von den kulturellen und religiösen Gepflogenheiten.

Einige wenige Endprodukte

Die Verwesung und  der Fäulnisprozess zerlegt den Körper nach dem Tod über viele Zwischenschritte und mit Hilfe von Mikroorganismen in einige wenige Endprodukte: Ammoniak, Kohlendioxid, Wasser, Nitrate und Sulfate, welche für die Helfer keine Gefahr darstellen. Zwar wird oft von Leichengift gesprochen. Dabei handle es sich um spezielle Abbauprodukte von Eiweissen (Alkaloide), die bei der Zersetzung von totem Gewebe entstehen. Entgegen ihrer Bezeichnung sind sie aber ungefährlich.

Erdbestattung oder verbrennen?

Fragt die NZZ am 1. Dezember 2004 in einem Kästchen zu diesen Grund- und Unterlagen der WHO. Und schreibt dann ganz klar: „Nach einer Naturkatastrophe mit massenweise Toten eignet sich die Erdbestattung in den meisten Fällen besser zur Entsorgung der Leichen als die Kremation. Denn für die korrekte Verbrennung braucht es nicht nur eine spezielle Infrastruktur…. Kremation.. gleich hoher Energieaufwand… Bei nicht identifizierten Leichen hat die Erdbestattung ausserdem den Vorteil, dass mit einer Exhumierung auch später noch gewisse Untersuchungen gemacht werden können. …. Aus Untersuchungen in der Nähe von Friedhöfen weiss man zudem, dass Krankheitserreger, die ins Grundwasser gelangen, mit zunehmender Distanz rasch zerstört werden.

Anmerkung: zu diesem gleichen Resultat kommt auch die Diplomarbeit von Ivo Willimann, ETH Zürich 1996.

Ebenfalls nachzulesen in einem Artikel in der NZZ vom 20. Mai 1998 (von Ivo Willimann und Hansjürg Büchi): „Vom Leben in den Toten“

Im Lead steht dort u.a.: „.. Die These, Friedhofsböden seien nach einiger Zeit „verwesungsmüde“, hat sich jedoch als unhaltbar herausgestellt. Vielmehr gilt es, die Verwesung von Leichen durch geeignete Massnahmen zu begünstigen“.

Der natürliche Lebenszyklus bestehe aus einem stetigen Wechselspiel zwischen Auf- und Abbau von organischer Substanz. In einem toten Körper leben Bakterien und Pilze weiter, Insektenlarven dient er als Lebensraum.. Der Tod ist eine unvermeidliche Voraussetzung für die Erneuerung des Lebens – in diesem Kontext sei die Leichenzersetzung zu sehen…

An anderer Stelle haben wir schon auf die wesentlichsten Punkte hingewiesen: vermeiden des Absenkens der Körpertemperatur (im Leichnam) – z B weil Feuchtigkeit drauf verbleibt, welche die Wärme viel schneller ableitet und die Temperatur runter holt. Denn durch die Aktivität der Enzyme und Bakterien beginnt sich die Körpertemperatur vorübergehend zu erhöhen, teilweise bis auf über 30 o C. In dieser zeit des stark beschleunigten Abbaus des Körpergewebes weden die Voraussetzungen für die Endzersetzung geschaffen.

Ungünstige Umstände unterbrechen allerdings den Fäulnisprozess zu einem frühen Zeitpunkt. Unter der Haut beginnt sich ein Fettpanzer auszubilden. Fettsäurekonservierung, Leichenwachsbildung…tritt auf, wenn sich im Sargraum Flüssigkeit ansammelt. Wasser als guter Wärme(ab)leiter entzieht dem Körper Energie und führt sie dem umgebenden Erdreich zu. (Falsches Sargmaterial, staunasse Böden, zu tiefes Eingraben.) Eine Korrektur der Bestattungspraxis drängt sich auf, wurde in diesem NZZ-Artikel im Mai 1998, basierend auf der vorangegangenen Studie, publiziert. Weniger tief eingraben, Baumwollhemden, unbehandeltes Tannenholz (Sarg), keine Plastikfolien.

 

Umweltfreundliche Erdbestattung   - Leserbrief in der NZZ 20.12.2004

In der Folge verweist ein Leserbrief in der NZZ dass dieser falsche Mythos eine 200-jährige Seuchenhysterie darstelle. Davor wurde weit weniger tief eingegraben. Ivo Willimann schrieb 1996: 1 Meter genügt. Dadurch verbleibt die Feuchtigkeit viel weniger auf der Haut, verdunstet schneller, senkt die Körpertemperatur in der Leiche nicht ab. Rückbildung der Leiche zu Erde und Staub kann so bereits innert 2 – 3 Jahre erfolgen. (Es laufe in der Leiche ein Temperaturprogramm ab). Und der Mensch bestehe ja zu 2/3 bis ¾ (also 60% bis 80%) aus Wasser – und Wasser verbrenne man in der Regel doch nicht. Der menschliche Leichnam sei organisch, wie die Pflanzen auch: letztere kompostiere man und soll sie nicht verbrennen… Lebende Menschen würden laut Prof. H Mooser 70 mal mehr fäulnisfähige Substanzen in den Boden abgeben als erdbestattete Leichen. 
Und Feuchtigkeit  wie Wasser würden die Temperatur auf der Haut 17 x schneller ableiten, als bei trockener (Luft) Situation. Daher kommt es zur Abkühlung, Unterkühlung, wie dies Lebensretter und Rettungsschwimmer aus der Ausbildung bereits kennen – oder jeder der geduscht hat, und sich nicht rasch abtrocknet…

 

Und wie die WHO meinte: Krematorien brauchen hochtechnisierte Anlagen… und viel Energieaufwand… - beides ist kostspielig..

 

Es läuft ein Temperaturprogramm ab – die Flüssigkeit muss weg
Tiefwurzelnde Pflanzen zwecks Entwässerung des Grabes, Lockerung des Bodens.
Giftige Sickersäfte: nein – der Boden hat eine Filterwirkung
Keine Plastikfolien, keine Eichensärge, keine Kunstfaser-Bekleidung
Weniger tief eingraben: 1 Meter genügt
Es gibt keine verwesungsmüde Böden – aber staunasse, ungeeignete
Amalgam: im Boden ist die Auflösung äusserst Widerstandsfähig, Bodenverunreinigung ist nicht zu erwarten – ganz im Gegensatz bei dessen Verbrennung

 

Lesen Sie die eingangs genannten Grundlagen der WHO (Public Health) und die Studie von Ivo Willimann (1996, ETH ZH)

 

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