Ein Recht auf Leben und auf Unversehrtheit zum Beispiel, hat in der Grundrechts-charta nicht mehr jeder Mensch, sondern nur noch jede Person (Artikel 2 und 3). Nach der Definition derjenigen, die alte und geistig behinderte Menschen wie im National-sozialismus töten wollen, ist ein Mensch mit Bewusstseinsstörungen keine Person mehr. Deshalb braucht es auch einen extra Artikel für alte Menschen, obwohl sie ja auch Menschen sind. Darin ist aber nur noch ein Recht auf Würde und Unabhängigkeit für ältere Menschen angegeben (Artikel 25). Im Gegensatz zum naturrechtlichen Gedanken, dass die Würde jedem Menschen eingegeben ist, sprechen die Mörder älterer Menschen die Würde nur noch bestimmten Menschen zu. (Red.)

Obige Einleitung ist ein von uns zugefügter Auszug aus folgendem Artikel, der kommendes in Europa anschliessend an die Nizza-Konferenz näher beleuchtet.  - wir empfehlen, diesen Artikel, den unsere Presseschauer im “Bürger und Christ” (8044 Zürich)  gefunden haben, vertieft zu lesen. (Red. 24.1.2001)  

Was in Nizza tatsächlich beschlossen wurde

Ausbau des EU-Despotismus

Von Diethelm Raff, Nizza / Zürich

Der Ausklang des letzten Jahres wurde durch die Regierungskonferenz der EU-Staats- und Regierungschefs in Nizza überschattet. In der hiesigen wie der ausländischen Presse wurde die Konferenz zumeist mit dem Etikett «gescheitert» versehen. Das ist jedoch nur die halbe Wahrheit, denn in Tat und Wahrheit wurden an der Konferenz in Nizza von Presse und damit dem Grossteil der Öffentlichkeit weitgehend unbemerkt eine Vielzahl von Beschlüssen gefasst, die für die anrollende EU-Despotie entscheidende Grundlagen schaffen.

Lange Zeit wurden die Verhandlungen der 15 EU-Staats- und Regierungschefs von der Frage nach der neuen Stimmenverteilung zwischen den EU-Mitgliedsländern sowie den neu dazukommenden osteuropäischen Ländern bestimmt. Dabei löste das brüske Vorgehen des französischen Präsidenten einen heftigen Schlagaustausch zwischen den grossen und kleinen Ländern aus. Doch der interne Familienzwist, der vielerorts als erster Demokratisierungsschritt interpretiert wurde, darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass sich die EU mit den Beschlüssen von Nizza weiter in Richtung eines zentralistischen Gebildes bewegen wird, dem die demokratische Legitimation fehlt.

Abschaffung der Kontrolle durch jedes einzelne Land

Wichtigstes Ergebnis der Regierungskonferenz ist, dass neu acht oder mehr Länder ohne Zustimmung der anderen eine gemeinsame Politik vereinbaren können (unter dem Titel «Verstärkte Zusammenarbeit» Titel VII des EU-Vertrages). Ausgenommen davon sind auf Betreiben Englands vorläufig militärische Angelegenheiten (Klausel J), aber nur deshalb, weil England die angekündigten Angriffskriege nur mit der NATO zusammen führen will. Das bedeutet, dass die EU in Zukunft auf Bedenken einzelner Länder keine Rücksicht mehr nehmen muss. Diese Länder müssen dann später einfach die Bestimmungen nachvollziehen, die andere vorgegeben haben. Gemäss den Wünschen von Deutschland und Frankreich gibt es jetzt eine Avantgarde wie bei den Leninisten, die den anderen ihren Willen aufzwingen kann. Der französische Präsident Chirac hat dementsprechend an der Abschlusspressekonferenz am frühen Morgen des 11. Dezember 2000 um 5 Uhr morgens erklärt, dass damit das wichtigste Ziel des Gipfels erreicht wäre. So könne in Kauf genommen werden, dass es noch nicht ganz geschafft worden sei, das Vetorecht eines einzelnen Staates vollständig durch Mehrheitsentscheidungen zu ersetzen. Spätestens hier wird die Behauptung der hiesigen EU-Beitrittsbefürworter absurd, die Schweiz könnte bei einem Beitritt überall mitreden.

Einschränkung der demokratischen Kontrolle durch die Länderparlamente

In den meisten Bereichen muss in Zukunft mit Mehrheitsentscheidung abgestimmt werden, was ursprünglich in der Europäischen Gemeinschaft die Ausnahme war. Ersetzt wird die Einstimmigkeit, die garantiert hat, dass jeder Staatschef von seinem Parlament den Auftrag erhalten konnte, sich gegen eine neue Verordnung, Richtlinie oder Entscheidung in der EU auszusprechen. Auf diese Art und Weise wäre wenigstens eine kleine Möglichkeit bestehen geblieben, dass der Wille des Volkes über das nationale Parlament durchgesetzt werden konnte. Da die Regierungschefs aber geheim tagen, kann das nationale Parlament jetzt nicht mehr kontrollieren, ob der Auftrag ausgeführt worden ist. Die EU stellt sich damit immer deutlicher ausserhalb der europäischen aufgeklärten Tradition, die festlegt, dass die Souveränität beim Staatsvolk liegt.

Attacke auf unbotmässige Länder

Mit dem veränderten Artikel 7 des EU-Vertrages können 12 von 15 Staatschefs behaupten, es bestünde in einem anderen Land eine Gefahr für die Verletzung von Freiheit, Demokratie, Menschenrechten, Grundfreiheiten oder Rechtsstaatlichkeit. Gegebenenfalls bestimmen sie einige demokratisch nichtlegitimierte Personen, die diese Behauptung untersuchen sollen. Mit dieser Bestimmung, dass bereits eine Gefahr einer Unrechtshandlung geahndet werden kann, stellt sich in Wirklichkeit die EU ausserhalb der Rechtsstaatlichkeit, weil selbst im Strafrecht nur eine widerrechtliche Handlung geahndet werden darf. Ausserdem müsste die Untersuchung nach europäischem aufgeklärtem Denken durch ein unabhängiges Gericht geschehen, das aufgrund ausgearbeiteter Rechtsgrundsätze urteilt. Mit diesem Artikel ist der Willkür Tür und Tor geöffnet, unbotmässige Länder unter Druck zu setzen. Auch hier wird das Prinzip der Selbstbestimmung der Länder aufgehoben, wie sie im Völkerrecht als Teil der Selbstbestimmung des Bürgers, bis heute verankert ist.

Ankündigung von Angriffskriegen

In Nizza beschlossen die Staatschefs hinter verschlossenen Türen, so rasch wie möglich Truppen aufzustellen, die zur «Krisenbewältigung» und für «friedensschaffende Massnahmen» eingesetzt werden, was gemäss neuer NATO-Doktrin vom April letzten Jahres andere Worte für Angriffskriege sind. Diese werden geplant für Rohstoffe, gegen unbotmässige Länder mit ungenügenden Reformen, bei Grenzstreitigkeiten usw. (Art. 17.2 EU-Vertrag). Gemäss Artikel 11.2 müssen die Mitgliedsstaaten eine solche Politik «aktiv und vorbehaltlos im Geiste der Loyalität und der gegenseitigen Solidarität» unterstützen. Man erinnert sich mit Grausen an den Warschauer Pakt, der die Satelliten zur Teilnahme an Unterdrückung zwang. Das «Krisenmanagement» der EU besteht zunächst darin, dass ein Polit- und Sicherheitskomitee zentral alle Informationen verwaltet, die zu einer Entscheidung führen müssen. Die demokratisch nicht kontrollierte Europäische Kommission hat als einzige Institution das Recht, die gegen ein anderes Land angewendeten Massnahmen zu initiieren. In Nizza ist gleichzeitig dem Präsidenten der Kommission erlaubt worden, sich zum Chef über die Vertreter der Länder aufzuschwingen. Er hat die politische Führung, er weist jedem Landesvertreter seinen Posten zu und kann ihn auch zum Rücktritt zwingen. Das heisst, will der Kommissionspräsident Krieg initiieren, hat er die Macht dazu erhalten, wenn er die Ministerpräsidenten davon überzeugen kann. Das europäische Parlament kann dazu nichts sagen, es wird nur angehört (Art. 21 EU-Vertrag).

Wie weit die Kriegsvorbereitungen schon gediehen sind, bei denen die Schweiz beteiligt werden soll, zeigt sich im Inland-Leitartikel der Neuen Zürcher Zeitung vom 30.12. 2000, mit dem angekündigt wird, was das neue Jahr bringen wird. NZZ-Redaktor Matthias Saxer fühlt sich darin bemüssigt, die Schweizer aufzufordern, innerhalb des Konzeptes «Sicherheit durch Kooperation» im Rahmen der NATO als Soldaten im Ausland den Tod von Söhnen und  Töchtern fremder Mütter und Väter in Kauf zu nehmen - notabene für Rohstoffe, im Falle von reformunwilligen Ländern oder bei anderen «Konflikten». Den eigenen Tod soll die Jugend für kaltblütige Machtstrategen in Kauf nehmen. «Und setzt ihr nicht das Leben ein - nie wird euch das Leben gewonnen sein» vergewaltigt Saxer in seinem Argumentationsnotstand ein Zitat Schillers - als ob Schiller damit gemeint hätte, sein Leben für Geld- und Machtstreber einzusetzen. Wer sich lieber für Freiheit und Menschenrechte einsetzt wird nebenbei als «Defätist» beschimpft: Wie immer vor einem Angriffskrieg muss man der Jugend eine Ideologie für das Morden liefern. - Welch eine Farce gerade in der Schweiz, die nur mit ihrer Neutralität die Möglichkeit hat, wirklich für den Frieden tätig zu werden - innerhalb des Roten Kreuzes, als Diplomaten, mit dem Katastrophenhilfscorps, im Rahmen der guten Dienste, als neutrales Land, das zu Friedensgesprächen einladen kann usw.

Unabhängigkeit aufgehoben

Die nur scheinbare Trennung der Gewalten innerhalb der EU wurde in Nizza ganz offiziell aufgehoben. Im Vertrag von Nizza (S. 21) wird daran erinnert, dass die verschiedenen EU-Organe dazu verpflichtet sind, loyal zusammenarbeiten, ja sogar gemeinsame Vereinbarungen zu treffen (Parlament, EU-Kommission und Ministerrat). Eine Demokratie zeichnet sich jedoch dadurch aus, dass die Gewalten ausdrücklich getrennt sind. Denn wie will ein Parlament die Regierung kontrollieren, wenn sie sich dieser gegenüber loyal verhalten muss. Das erinnert an die sozialistische «Demokratie» im ehemaligen Osteuropa.

Aufpfropfen einer Grundrechtscharta

Ebenfalls Traktandum an der EU-Konferenz von Nizza war die Grundrechtscharta. Innerhalb eines halben Jahres im Geheimen ausgearbeitet von 62 nichtlegitimierten Personen, deren Namen zunächst nicht zu erfahren waren. Die Einwände eines Teils dieser Personen wurden nicht diskutiert. Die Öffentlichkeit hatte erst seit Juni vergangenen Jahres Zugang zu dieser Grundlage einer neuen Verfassung. Die Grundrechtscharta hat schon deshalb keine Legitimation, weil sie von den Bürgern in Europa nicht diskutiert werden konnte und deshalb auch nicht die Verfassung eines demokratischen Gebildes sein kann. Diese Grundrechtscharta geht weit hinter die Europäische Menschenrechtserklärung zurück. Es stellt sich die Frage, warum die EU nicht einfach dieser bereits ausgearbeiteten Erklärung beigetreten ist. Offenbar will man fundamentale Freiheitsrechte der Bürger nicht mehr beibehalten. Freiheitsrechte, die gar nicht in Frage gestellt werden dürfen, wenn ein Staat eine Legitimation haben will. Der Bürger überträgt nämlich dem Staat nur so lange die Staatsmacht, wie dieser die eingeborenen Rechte des Menschen respektiert.

Ein Recht auf Leben und auf Unversehrtheit zum Beispiel, hat in der Grundrechts-charta nicht mehr jeder Mensch, sondern nur noch jede Person (Artikel 2 und 3). Nach der Definition derjenigen, die alte und geistig behinderte Menschen wie im National-sozialismus töten wollen, ist ein Mensch mit Bewusstseinsstörungen keine Person mehr. Deshalb braucht es auch einen extra Artikel für alte Menschen, obwohl sie ja auch Menschen sind. Darin ist aber nur noch ein Recht auf Würde und Unabhängigkeit für ältere Menschen angegeben (Artikel 25). Im Gegensatz zum naturrechtlichen Gedanken, dass die Würde jedem Menschen eingegeben ist, sprechen die Mörder älterer Menschen die Würde nur noch bestimmten Menschen zu.

Die Familie ist nicht in besonderer Weise geschützt, auch nicht vor Eingriffen des Staates, wie es zur Grundlage jedes demokratischen Staates gehört, im Artikel 33 handelt es sich nur um eine Soll-Bestimmung. Stattdessen gibt es nur noch ein Recht, eine Familie zu gründen (Art. 9). Das natürliche Erziehungsrecht der Eltern als Schutz vor dem Staat gibt es nicht. Stattdessen gibt es ein Recht, dass der Staat die Interessen des Kindes auch gegen den Willen der Eltern durchsetzen kann. (Art. 24). Die wissenschaftliche Lehrfreiheit ist nicht mehr geschützt (Artikel 13). Neben dem Eigentumsrecht gibt es die Freiheit des Unternehmers, was deren Position in der Zeit der verantwortungslosen Gewinnmaximierer stärkt.

So erscheint es aus den geschilderten Gründen wünschenswert, dass die Parlamente der EU-Staaten von möglichst vielen Bürgern aufgefordert werden, diese Charta nicht zu unterschreiben.

Verordnete Berufstätigkeit für Frauen

In der Sozialagenda wird festgelegt, dass in der EU bis zum Jahr 2010 die Beschäftigungsquote der Frauen auf über 50% zu erhöhen. Die Probleme mit den Renten dienen dazu, die erzwungene Eingliederung der Frauen in die globalisierten Arbeitsstrukturen zu rechtfertigen (Artikel 2, 6, 10 und 22), wozu wie im ehemaligen Osten die frühe Trennung der Kinder von den Müttern unausweichlich ist.

Erzeugung bindungsloser Menschen

Die EU ordnet sich den Anforderungen des börsenorientierten «Wirtschaftens» unter, (Artikel 25, Sozialagenda) anstatt die von Menschen erzeugten «Zwänge«» auszuloten und entsprechende Gegenmassnahmen zu planen. Sie kündigt eine «Umstrukturierung des Produktionsapparates und sektorielle Veränderungen» an, die innerhalb der EU aus der weiteren Aufhebung von Schutzmechanismen gegen die Zerstörung der sozial eingebundenen Unternehmen folgen werden. (Artikel 19, Sozialagenda) Der einzelne Mensch muss so umgebogen werden, dass er jederzeit überallhin verschickbar ist. Die EU will diese Funktion für die börsenkotierten Firmen einnehmen und «einen positiven Umgang mit diesem Wandel» erzeugen (Artikel 19). Besonderer Wert wird mit einem Spezialprogramm auf den «Ausbau der Mobilität» gelegt (Artikel 18 Sozialagenda und Aktionsplan für die Mobilität), was nichts anderes heisst als einen Lebensentwurf zu erzeugen, in dem man sich nirgends in der Familie, in Vereinen, Vereinigungen und Gemeinden längerfristig engagieren und binden will, also auch Verantwortung übernimmt. Deshalb muss auch unter anderem in allen Schulen aller Länder der Fremdsprachunterricht, besonders Englisch gefördert werden. Die EU fordert sogar - in Abkehr von der Eigenständigkeit von Gemeinden und Ländern, Vereinen und Vereinigungen, Unternehmen und Arbeitnehmerorganisationen vom Staat, dass alle an diesem Programm «ihren Teil beizutragen haben» (Artikel 27).

Projekte für den Anschluss weiterer Länder

Innerhalb von 5 Jahren sollen 8,1 Milliarden Franken dafür aufgewendet werden, den Anschlussprozess weiterer Mittelmeerländer an die EU zu finanzieren.

Nachdem die westlichen Balkanländer durch Bomben gefügig gemacht worden sind und den von der EU finanzierten Präsidenten gewählt haben, zahlt der Steuerzahler jetzt 7 Milliarden Franken, um die westlichen Balkanländer in die EU zu führen (Schlussfolgerungen des Präsidenten, Punkte 59 und 60).

Schnellere Umsetzung  der «Agenda 21» und  «Neue» Grundwerte

In den Schlussfolgerungen des Vorsitzes, in denen alle Beschlüsse zusammengefasst sind,  wird unter Punkt 44 festgelegt, dass in einem halben Jahr ein Plan ausgearbeitet werden kann, wie die Agenda 21 vom Rio- Gipfel über eine Weltumweltorganisation besser umgesetzt werden kann; womit auch der Zerfall des Rechtsstaats, von Freiheit, Demokratie und Menschenrechten beschleunigt würde, wie bereits an anderem Ort in dieser Zeitschrift dargelegt wurde. Statt dieser Grundwerte erklärt die EU in der Sozialagenda (Artikel 23): «Der soziale Zusammenhalt, die Ablehnung aller Formen der Ausgrenzung und Diskriminierung, die Gleichstellung von Männern und Frauen bilden die Grundwerte des europäischen Gesellschaftsmodells, wie dies auf der Tagung des Europäischen Rates in Lissabon bekräftigt wurde.» Was sich oberflächlich betrachtet gut anhört, wird dann zu einer erschreckenden Vision, wenn man erkennt, was in der EU alles nicht mehr zum europäischen Gesellschaftsmodell gezählt wird: Freiheit, Rechtsstaatlichkeit, Menschenrechte, Gerechtigkeit, Demokratie, Gewaltenteilung, Friedfertigkeit. Die neuen Grundwerte der EU sind durchaus vergleichbar in den Diktaturen des marxistischen Ostens propagiert worden.

Von der Präsidentin bestimmtes Europäisches Parlament

Obwohl diese Grundrechtscharta nicht für rechtsverbindlich erklärt worden ist, erklärte die Präsidentin des europäischen Parlamentes, Nicole Fontaine, am 7. Dezember in Nizza trotzdem, das europäische Parlament werde nur noch Gesetzen zustimmen, die in Übereinstimmung mit dieser nichtdeklarierten neuen Verfassung stünden «auch wenn dabei ihrer vollständigen Übertragung in den Vertrag vorgegriffen werden muss» In Tat und Wahrheit müsste das Volk selbst einer neuen Verfassung zustimmen und es ist nicht erlaubt, dass sich die Vertretung des Volkes an ein Papier hält, das gar nicht vom Volk akzeptiert worden ist. Darüberhinaus sagt sie damit aus, dass sie festlegen kann, was die scheinbar unabhängigen Volksvertreter tun werden. Liegt das vielleicht daran, dass im europäischen Parlament einmal im Monat Hunderte von Abstimmungen im Minutentakt hintereinander stattfinden, so dass die einzelnen Parlamentarier in Wirklichkeit gar nicht richtig überlegen können, wie der französische Europaparlamentarier Alain Krivine in Readers Digest vom November 2000 erklärt (S. 134ff).

Permanente Revolution

Innerhalb von 10 Jahren hat die EU die Verträge, auf denen die Zusammenarbeit bestehen sollte und Recht abgeleitet wird, bereits das 3. Mal geändert. (Maastricht 1992, Amsterdam 1997, Nizza 2000) und schon 2004 sollen in einem weiteren Vertrag alle Veränderungen hin zu einer undemokratischen Konstruktion durchgesetzt werden, die in Nizza nicht gelungen sind. Das ist zumindest ungewöhnlich. Wenn man die Herkunft der meisten Regierungschefs aus der marxistischen Linken (Jospin, Schröder, Blair, d’Alema) kennt, so erinnert einen dieses Vorgehen an die «Theorie der systemüberwindenden Reformen» oder der «permanenten Revolution», die hier umgesetzt wird.

Wir danken Herrn A Segert von ‘Bürger und Christ’ ZH, für die Publikationserlaubnis

Eindrücke von der Regierungskonferenz in Nizza

Die EU - ein autoritäres Gebilde

Ra. Manch einer verwechselt die EU immer noch mit einem demokratischen Gebilde, einem «Europa der Vaterländer», einem demokratischen Zusammenschluss von freiheitlichen Demokratien, auch deshalb, weil die EU dies so propagiert. Auf dem Gipfel von Nizza konnte sich jeder eines Besseren belehren lassen.

Die Verhandlungen in Nizza fanden unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. In einer Demokratie hingegen müssen Verhandlungen über Gesetzestexte für den Bürger, also auch für den Journalisten, einsehbar sein. Nur so können die Vertreter des Volkes kontrolliert werden. Gesetze können nur die Gesetze des Volkes sein, wenn sie vom Volk diskutiert worden sind und die Vertreter das vertreten, was sie dem Volk versprochen haben.

In Nizza hat die Öffentlichkeit über die Vorgänge bei den Verhandlungen nur das erfahren, was die Regierungsvertreter für die Öffentlichkeit zugänglich machen wollen: Die Pressekonferenzen waren eine gekonnte Inszenierung, in der, statt dass über Sachfragen informieren wurde, die wartenden Journalisten mit nichtssagenden Floskeln über das persönliche Befinden einzelner Politiker abgefüllt wurden. So als ob es darauf ankäme, ob Josef Fischer müde und in zerbeulten Hosen oder im Anzug dasitzt. Solche Abspeisungen waren typisch für die Politik des 19. Jahrhunderts.

Diese Kritik, die wir unter Unmutsäusserungen vieler Journalisten auf Pressekonferenzen in Nizza aufbrachten, schloss sich Elmar Brok an, der Vertreter des Europaparlaments in den Vorverhandlungen für Nizza. Er forderte vehement öffentliche Verhandlungen und den Abschied von metternichscher Geheimdiplomatie. Inzwischen erhoben verschiedene Vertreter des Europaparlaments am Tag nach Abschluss der Konferenz bei der Diskussion des Nizza Vertrages dieselben Forderungen. Der französische Europaminister Muscovici zeigte für solche demokratischen Selbstverständlichkeiten allerdings überhaupt kein Verständnis. Er behauptete, er wisse nicht, wie man noch transparenter werden könne. Wer noch mehr Einblick erhalten wolle, wolle offenbar wie ein Mäuschen dabeisitzen. Das sei ja nicht nötig, da die Öffentlichkeit ja doch alles erfahre. In seiner machtversessenen Arroganz vergisst der Herr, dass es nicht um den Anspruch geht, auch einmal als Diener bei der Aristokratie mitzuhören, was den Bürger eigentlich gar nichts angeht, sondern dass es sich dabei um unveräusserliches Recht des Bürgers handelt. In Tat und Wahrheit delegiert der Bürger treuhänderisch und vorübergehend sein Recht auf Eigenbestimmung, wenn dafür die Vertreter des Volkes das Vertrauen durch ehrliche und offene Politik rechtfertigen. Tun sie das nicht, hat der Bürger direkt eine Pflicht, solchen Verächtern des Volkes das Mandat abzusprechen, um die Demokratie zu erhalten.

Frankreichs Europaminister Muscovici ging aber noch weiter und behauptete, die Regierungen seien demokratisch gewählt und damit legitimiert, Gesetze zu machen - als ob nicht jeder demokratische gebildete Bürger weiss, dass eine Regierung Gesetze auszuführen und nicht Gesetze zu erlassen hat. Dieser wesentliche Aspekt der Gewaltentrennung ist es, der Demokratie und Despotie unterscheidet.

Das zweite Land mit Grossmachtsanspruch, Deutschland, reagierte auf die Kritik mit derselben Arroganz. Der Berater von Kanzler Schröder, Michael Steiner, erklärte in finsterster Demokratiefeindlichkeit: «Die Alternative zu dieser Politik hinter verschlossenen Türen sind Fensterreden für das Volk, wie sie im Parlament üblich sind, durch die überhaupt kein Resultat zustandekommt.» Steiner als offizieller Sprecher der Bundesregierung setzt sich damit ganz offen für einen autoritären Staat ein. In Tat und Wahrheit unterscheiden sich Entscheidungen in einer Demokratie von solchen in einer Diktatur gerade dadurch, dass letztere durchschaubar sind. Und wenn die Parlamentarier tatsächlich in Fensterreden dem Volk nur etwas vormachen, dann offenbaren sie ihr Demokratiedefizit.

Diktatur der Grossmächte               

Offene Diskussion war am Gipfel von Nizza  nicht einmal innerhalb der einzelnen Regierungen gestattet. Präsident Chirac liess alle Regierungsvertreter einzeln bei sich antreten und verlangte von jedem mit verschiedensten Druckmitteln, sich den Forderungen insbesondere von Deutschland und Frankreich anzupassen. Er nannte dieses Druckverfahren zu allem Überfluss auch noch «Beichtstuhlverfahren». Er erhob sich damit zum Vertreter Gottes und die kleinen Staaten zu Sündern, die ihm zu beichten hätten.

Dies gemahnt an die im 19. Jahrhundert überwundene Vorstellung vom Gottesgnadentum der Herrscher - soll diese jetzt die EU wieder in Europas aufgeklärten Ländern Einzug halten? Deutschland und Frankreich teilten sich die Rollen in diesem Akt des Machtausbaus einer kleinen Minderheit in Europa über die Bevölkerung. Frankreich setzte die notwendigen Massnahmen durch und Deutschland bot sich als Vermittler an, das aber in vielerlei Hinsicht dieselben Interessen wie Frankreich verfolgte. Die Franzosen als «bad guy» und die Deutschen als «good guy».

Auf einer Pressekonferenz versuchte der aus der Frankfurter Häuserkampfszene stammende deutsche Aussenminister Josef Fischer den Einwand gegen diese Dominanz von Frankreich und Deutschland gegen die kleinen Länder erst gar nicht zu widerlegen. Halb ironisch erklärte er, dass ja seine Vergangenheit bekannt sei und es hier ebenfalls nicht ohne Blessuren abgehe. Das Mobbing gegen unbotmässige Ländervertreter im sogenannten «Beichtstuhlverfahren» verteidigte er  - der Atheist - mit der Behauptung, im Beichtstuhl gehe es doch ganz friedlich zu wie jeder Katholik wisse. 

Demütigung der kleinen Staaten

In Tat und Wahrheit wurden die Ländervertreter massiv bearbeitet. Der belgische Ministerpräsident Louis Michel erklärte nach zig Stunden Verhandlungen am frühen Montag morgen um 5 Uhr sichtlich aufgelöst und verstört: «Ich muss Ihnen gestehen, dass ich noch nie an solch einem Gipfel war. Es ist unvorstellbar, wie die Verhandlungen vor sich gehen. Es besteht ein unwahrscheinlicher Druck, wenn man eine andere Meinung vertritt. Es ist persönlich fast nicht auszuhalten, wie 14 andere einen dazu zwingen wollen, seine Meinung zu ändern. Auf solch einen Machtkampf ist man gar nicht vorbereitet. Dabei ging es uns Belgiern nur darum, dass wir eine logische Lösung wollten. Wenn sich die Verteilung der Stimmen im Rat nach der Bevölkerungszahl richtet, dann muss eben auch Deutschland mehr Stimmen als Frankreich haben und Malta gleichviel wie Luxemburg. Stattdessen hat Herr Chirac erklärt, Malta erhalte weniger Stimmen, weil es im Gegensatz zu Luxemburg nichts zur EU beigetragen hat. Man konnte gar nicht logisch diskutieren. Zugunsten von einem Vereinten Europa haben wir nachgegeben. Den einzelnen Staatschefs geht es nur um die eigenen Bedeutung. ‹Ich , ich, ich› ist der einzige Gedanke, um den es ging. Von einem Europa des Friedens, der Solidarität, der sozialen Gerechtigkeit, eine Utopie, die für mich beinahe transzendenten Charakter hatte, ist gar nichts zu spüren. Es geht um finanzielle Vorteile und Machtverteilung. Es ist eine Schande. Ich plädiere dafür, dass nach diesem katastrophalen Gipfel die Völker erst einmal darüber abstimmen können, ob sie überhaupt ein vereintes Europa wollen, ob sie ein solches Europa wollen oder ein eingeschränktes oder noch mehr Integration. Das muss zuerst gemacht werden nach solch einer vollkommenen Desillusionierung.»

Auf dem Weg zu  einem diktatorischen Gebilde

Wenn in vielen Zeitungen in Deutschland davon gesprochen wird, dass sich Frankreich und Deutschland nicht einig gewesen seien, so ist das die offizielle Linie, die den Medien weitergegeben worden ist. In Tat und Wahrheit haben Deutschland und Frankreich zusammen das meiste durchgesetzt, was sich die neuen Diktatoren vorgenommen haben: Die raschest mögliche Aufstellung einer Angriffsarmee für den Krieg gegen unbotmässige EU-Länder oder Länder ausserhalb der EU; einen starken Kommissionspräsidenten; die Möglichkeit unter dem Titel verstärkter Kooperation die Nationalstaatsidee aufheben zu können; eine Grundrechtscharta, die vornehmlich den Wirtschaftsinteressen der Globalisierer dient; eine Sozialcharta, in der sich die EU verpflichtet, den mit der verstärkten Integration erfolgenden Firmenzusammenbrüche und der Zerstörung der Landwirtschaft dadurch zu begegnen, dass die Menschen mobiler gemacht werden müssen um sich den von den Grosskonzernen bestimmten Leben anpassen zu können und eine Definition der europäischen Gesellschaftsidee, in der Freiheitsrechte, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit nicht mehr genannt sind.

Sehen wir uns vor und pochen wir auf demokratische Rechte, Freiheitsrechte und Rechtsstaatlichkeit. Diese kleine Clique von Geltungssüchtigen kann nur dann ihre Pläne durchsetzen, wenn sich der einzelne Bürger als Basis der Demokratie, als Citoyen, nicht bewusst ist.

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