Frau Bundesrätin Ruth Dreifuss

Eidgen. Departement des Innern

Inselgasse

3003  B e r n

 

9244 Niederuzwil, 2. Februar 2000  

Vernehmlassung zum Eidgenössischen Transplantationsgesetz

 

Sehr geehrte Frau Bundesrätin Dreifuss,

sehr geehrte Damen und Herren,

 

Der Bundesrat möchte mit diesem Eidgenössischen Transplantationsgesetz in der ganzen Schweiz eine einheitliche und umfassende Regelung treffen. Unsere Stellungnahme begrenzt sich auf die Sicht des Persönlichkeitsrechts, des Totenfriedens und der Kultus-(Religions-)Freiheit. Wir unterstützen die “Vision des Transplantationsregisters” gem. 324, wie auch 322 (Vorteile eines Transplantationsregisters für die ganze Schweiz)

Es ist uns zwar bekannt, dass der bekannte Sadhu Sundar Singh in seinen Ausführungen gesagt hat: “das Lösen der Seele vom Leibe nach dem Tode ist ein allmähliches…”.  Wir möchten uns aber hier zum ‘Todeszeitpunkt’ usw. nicht äussern, sondern vornehmlich zum Persönlichkeitsrecht, zum Totenfrieden und zur Kultusfreiheit.

Die Schweizerische Gesellschaft für Lebenshilfe SGFL respektive Ihre Verantwortlichen befassen sich schon seit weit über einem Jahrzehnt intensiv mit der Frage des Persönlichkeitsrechtes, dem Totenfrieden und der diesbezüglichen Kultusfreiheit. Die SGFL hat es sich zur vornehmlichen Aufgabe gemacht, das Verfügen nach Kräften zu fördern. Die SGFL setzt sich zudem im besonderen ein für Personen, welche die ‘Unversehrtheit des Leibes nach dem Tode’ zum Ziele gesetzt haben, und die (trotz bestehender oftmals klarer Rechtslage) sich durch Vorkommnisse in neuester Zeit arg verunsichert oder gar verängstigt fühlen. Die SGFL setzt alles daran, Bestrebungen und Einrichtungen zu fördern, welche die Rechtssicherheit und den Rechtsschutz sichern respektive wiederher-stellen helfen. Die SGFL hat in Ihrer Planung daher ein 7 x 24h Schutzregister einzuführen, respektive sie ist allenfalls bereit, bei einem solchen Register mitzuwirken. Die SGFL bietet ihre Hilfe allen Hilfesuchenden an, ungeachtet ihrer religiösen oder politischen Einstellung.  

Wir nehmen in diesen unseren Ausführungen klar Stellung zur Würde des Menschen, zur Störung des Totenfriedens, zum Persönlichkeitsrecht, und dies verbunden mit der Kultus-(Religions-)Freiheit. Sie werden aber bald feststellen, dass man nicht nur die Organspende isoliert betrachten kann, sondern die Organentnahme in einem erweiterten Rahmen sehen muss. Sobald nämlich der Totenfrieden nicht gestört werden soll, solange noch das Persönlichkeitsrecht respektiert werden soll, solange die Religionsfreiheit noch Geltung haben darf, wird sehr rasch ein zentraler Punkt angesprochen werden: Was soll mit all jenen geschehen, denen “die Unversehrtheit des Leibes nach dem Tode” ein tiefes, höchst persönliches Anliegen ist. Beispielsweise besonders für Juden, Moslems aber auch viele Christen ist dies von hoher Bedeutung. Der Anspruch, für sich “die Unversehrtheit des Leibes nach dem Tode” noch heute beanspruchen zu dürfen, stellt aber mittlerweile ein echtes Problem dar, da in vielen Kantonen dieses legitime Grundbedürfnis oftmals eingeschränkt wird, oder manchmal schlicht und einfach nicht akzeptiert (sei es die Behörde, sei es der Dorfgeistliche, sei es ein Mediziner). Ich liste hernach einzelne Vorfälle auf, um diese Aussagen zu belegen. Später folgt unser Vorschlag, wie man dieser Problematik gründlich begegnen könnte und damit die Rechtssicherheit sowie den Schutz der Persönlichkeit und die Kultusfreiheit wieder herstellen kann. Erfreulicherweise finden sich solche Gedanken auch in Ihrer “Vision zum Transplantationsregister” (324).

Wir werden daher nebst der “Organspende/-Entnahme” plötzlich auch von “wissenschaftlichen Tests” und von der “Bestattungsart” sprechen. In Ihrer Gesamtheit können sie den Totenfrieden  sowie die Kultusfreiheit stören, den ‘Letzten Willen’ und das Persönlichkeitsrecht  massiv verletzen. Und dies in einer Situation allwo der Mensch echt am ‘hilflosesten vor uns liegt’….  Darum befürworten wir diesbezüglich eine klare Verbesserung neuerdings schwammiger, nicht praxisorientierter oder gar undurchführbarer Regelungen. Im neuen Eidgenössischen Transplantationsgesetz sollen daher in einzelnen Kantonen vorkommende Willkür-Tendenzen gestoppt oder gar nicht mehr ermöglicht werden.

Wir schätzen die jährlichen Verletzungen / das Missachten des ‘Letzten Willens’  respek-tive die Störung des Totenfriedens auf Grund unserer Erfahrung auf etwa 7’000 Fälle. Sie möchten ein Beispiel? Denken Sie an den “Fall Gonten”, allwo selbst ein Polizeikadermann nicht erdbestattet werden durfte, obwohl dieser dies als seinen klaren ‘Letzten Willen’ mehrfach geäussert hatte. Dem Dorfgeistlichen (Pfarrer Breitenmoser) war jedes, auch nicht zutreffende, Argument recht, eine Erdbestattung zu verweigern: “Die Unversehrtheit des Leibes nach dem Tode” wurde hier klar und vorsätzlich verwehrt. Grund: der Polizeikadermann war früher aus seiner Kirche ausgetreten… - oder denken Sie an Dr. Bernd Schimmelpfennig, Augenarzt und Universitätsdozent in Zürich, der im Universitätsspital in Zürich zahlreichen Toten Organe entnommen hatte “wider Willen”… Vieles kommt nicht an die Öffentlichkeit, aber gelegentlich eben doch: Wie z.B. der kürzlich bekannt gewordene britische Organskandal (z B Alder Hey, Kinderkrankenhaus in Liverpool) bei welchen regelrechtes Ausschlachten von Kinderleichen publik  wurde. Was zudem an ‘wissenschaftlichen Tests’ in unseren Spitälern geschieht, können verschiedenste im Spitalbereich tätigen Personen (Ärzte, Krankenpflege-Personal) selbst dokumentieren. 

Oben stellvertretend aufgeführte Einzelfälle zeigen auf, wie dringend nötig eine klare Haltung  in der Gesetzgebung ist. Die heute in der Mehrheit der Kantone vorherrschende Widerspruchslösung funktioniert bekanntlich schlecht. Die Praxis zeigt klar: es herrscht Organmangel, der Transplantations-Chirurge findet gerade (!) keinen schriftlichen Widerspruch vor seinen Augen hingehängt und schon kann dieser Chirurge straffrei nach seinem Belieben Organ um Organ entfernen: dies hin bis zur eigentlichen Ausschlachtung (siehe weiter oben).

Da solches in der Praxis fast ungehinderte Vorgehen aus Sicht des Totenfriedens, des Persönlichkeitsrechts und der Kultus- (Glaubens-) Freiheit für all jene Personen, welche die Unversehrtheit ihres Leibes nach dem Tode zum Ziele haben, absolut unhaltbar ist und man sich wie in einem schutzlosen, wehrlosen,  fluchtlosen Zustand (wie z.B. zu Zeiten des Holocausts) befindet. Dies trifft zu sowohl bei Leuten jüdischen, oder christlichen, oder islamitischen Glaubens, etc.

Es gibt aber eine Lösung! Sie findet sich interessanterweise auch in Ihrer “Vision zum Transplantationsregister” / 324.

Diese Lösung muss aber auf der Freiwilligkeit und der praktischen Unentgeltlichkeit beruhen, es darf in keiner Weise Zwang auf den Verfügenden ausgeübt werden. Aber die Möglichkeit muss jedermann, ungeachtet seiner Rasse, Religion, Alter, und seiner Vermögenslage zugebilligt werden. Wenn es keine solche Lösung gibt, die eine unabdingbare Verpflichtung gegenüber den Transplantationschirurgen darstellen würde, müssten wir das weiter locker gewordene Gesetz bekämpfen. Die neue Bundesverfas-sung hat früher klar vorhandene Rechtsansprüche durch neue ‘nebulös’ formulierte Artikel ersetzt. So besteht beispielsweise der frühere klare Rechtsanspruch alte BV Art. 53, Abs. 2) auf ein schickliche Beerdigung ebenfalls nicht mehr.

Vorschlag; in Ergänzung zu Ihrer “Vision zum Transplantations Register / 324”:

a)  ein Gesamtschweizerisches Register (7 x 24 h einsatzfähig - also jederzeitige Datenabfrage ermöglichen), in welches sich jedermann freiwillig eintragen lassen kann. Das Register steht Amtsstellen, Spitälern, Notfallärzten und - Diensten rund um die Uhr zur Verfügung.

b)  diese freiwillige Registrierung muss auf jeden Fall ein “Nein” oder ein “teilweise”

     zulassen, und nicht nur ein “Ja”. Ein “egal” könnte ebenfalls als Möglichkeit zugelassen werden. Das Register muss unabhängig und nicht-interessens-gebunden sein. Es darf nicht von einer einseitig interessierten Organisation (wie z.B. die an Transplantationen hochinteressierte Swisstransplant) geführt oder kontrolliert werden (Gerade der Gesetzesartikel 10 lässt dies offen!). Ein gewünschter Widerspruch muss klar eingetragen werden können (= erweiterte Zustimmungslösung).

c)  dieses Register (“freiwillige, bewusste Fiche”) darf nicht zu einer finanziellen Belastung der sich freiwillig registrierenden Person führen

d)  dieses Register darf nicht kommerziell (oder politisch) genutzt noch diesbezüglich Adressen veräussert werden (Datenschutz). Zulässig sein könnte höchstens eine freiwillige Markierung: “es darf meine Adresse weitergegeben werden” (ausdrückliche Willenskundgabe!)

e)  Den Verfügenden soll periodisch eine Liste aus welcher klar ersichtlich ist, was er verfügt hat (was über ihn registriert ist) zur Überprüfung/Aktualisierung/ Willensbekräftigung (-Erneuerung / -Ergänzung) zugestellt werden (z.B. eine Aktualisierungs-Periode alle 3 Jahre). Damit gehen einher: Sicherstellung der Aktualität der Verfügungswünsche respektive deren erneute Bekräftigung, der Adresse, der Telefonnummern, der Kontakt- oder Vertrauenspersonen usw.

f)    mit diesem Register soll man auch generell den Totenfrieden schützen können (“Letzten Willen”: diesen immer nur im Sinne nicht-vermögensrechtlicher Art). Dies hilft zudem weitere Rechtsbrüche zu vermeiden bezüglich:   1.Wissenschaftlicher Tests und 2. Bestattungsart.   -   Wünscht jemand generell die Unversehrtheit des Leibes nach dem Tode, so kann ein solches Register auf einen Schlag das Verletzen des Totenfriedens bezüglich der gewünschten Unversehrtheit des Leibes nach dem Tode lösen / stoppen. ( Ihr  Pkt. 324 / “Vision” muss daher ergänzt / geöffnet werden).   

g)   niemand darf eine Organentnahme auf dem Gebiet der ganzen Schweiz vornehmen, und auch keinerlei wissenschaftliche Tests durchführen, noch jemanden der Kremation (Leichenverbrennung) zuführen (oder dazu zwingen), wenn jemand die Unversehrtheit des Leibes nach dem Tode verfügt hat. Zuwiderhandlungen sind mit hohen Strafen zu belegen.

h)  jeder Mensch soll sich frei entscheiden dürfen. Es dürfen ihm keinerlei Nachteile erwachsen. Solche Verfügungsentscheide (so sie sittlich und gesetzeskonform sind) sind in jedem Falle zu befolgen und zu schützen. Vertrauenspersonen sollen definiert werden können.

i)     “Unsere Vision” ist eine privatrechtliche Organisationsform (à la REGA) mit offizieller Anerkennung / öffentlichem Auftrag. Diese Organisation soll nicht nur die Transplantationsfrage, sondern auch die anderen Fragen bezüglich “Unversehrtheit / Versehrtheit des Leibes nach dem Tode” (Obduktion, wissenschaftliche Tests, Bestattungsart) abdecken. Denkbar wäre eine solche umfassende, freiwillige Willensverwaltung basierend auf der Finanzierung durch einen Gönnerbeitrag à la REGA. Eine solche unabhängige Organisation (gemäss Ihren 322 - 324, aber mit erweitertem Aufgabenbereich) könnte praktisch ohne Steuergelder durchführbar werden und würde bestimmt auf weitreichendes positives Echo stossen.

 Hohe Akzeptanz dürfte ein solches Register geniessen, weil es freiwillig ist, aber einen offiziellen Auftrag hat und daher nicht interessensgebunden sein darf (Swisstransplant ist eine Interessensorganisation, die lange Zeit nur das JA akzeptiert hat und welche sich den Schutz und die Würde des Menschen nicht als über allem stehend zur Zielsetzung hat, sondern die in genügender Menge zur Verfügung stehenden Organe. Wir verstehen, dass SWISSTRANSPLANT all jene, welche die Unversehrtheit des Leibes nach dem Tode als Letzten Willen bekunden, nicht als ihre Zielgruppe betrachtet, und sich daher in keiner Weise für deren Persönlichkeitsrecht einsetzt noch stark macht.) Hierzu bilden wir sicherlich einen Gegenpol…aber denkbar wäre eine Zusammenarbeit.

Wir von der Schweizerischen Gesellschaft für Lebenshilfe SGFL arbeiten schon viele Jahre an dieser Problematik und wir erklären uns ausdrücklich bereit, an einer oben vorgeschlagenen Lösung mitzuarbeiten. Wir bieten unsere umfassende Zusammenarbeit an, und dies als ein Gegengewicht zur an Organen hoch-interessierten Swisstransplant. Wir legen Ihnen einen unserer neutralen, den freien Willen voll zulassenden Ausweise bei.

Sollte das neue Gesetz den Persönlichkeitsschutz /das -Recht, das Stören des Toten-Friedens und die diesbezügliche Glaubensfreiheit nicht im oben geschilderten Sinne voll schützen wollen, so müssten wir uns dagegen aussprechen.  Wir teilen aber die Meinung vieler Mediziner: den Willen des Patienten / Menschen zu befolgen, allein wenn dieser persönliche Wille nur rasch (d.h. innerhalb einer Stunde) erkennbar / erfahrbar wäre. Dazu, und zur Rechtssicherheit möchten wir nach Kräften beitragen.  

 

Mit freundlichen Grüssen  

Schweiz. Gesellschaft für Lebenshilfe SGFL